Der Marienstein und St. Marien zu Strehlen

 

Auf dem Konzil von Ephesus wurde im Jahr 431 Maria, die Mutter Jesu, von der katholischen Kirche zur Mutter Gottes ausgerufen. Spätestens seither galten Abbilder der heiligen Maria als wundertätig.

Die Verehrung erfasste auch Menschen, die nach einem besonderen Lebenswerk von der katholischen Kirche heiliggesprochen worden sind. Zu diesen gehört auch die Heilige Hedwig von Schlesien:

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Im Bildnis des Hedwig Codex von 1353 fällt die Bekleidung in Form einer Kapuzen-Tunika auf. Das trifft für viele weitere Beispiele von weiblichen Heiligenbildnissen des Mittelalters zu, so zum Beispiel für hochmittelalterliche byzantinische Gnadenbilder und zeitlich bis hin zur sogenannten „Schönen Maria“ von Regensburg (um 1519) oder zu der heute so hoch verehrten Fatima-Figur:
 


 



 

Die Heiligenverehrung kam im Mittelalter auch in der namentlichen Widmung von Kirchen zum Ausdruck, so auch im Fall der Marien-Kirchen weltweit bzw. St. Marien zu Strehlen.

Nicht nur in Strehlen gibt es zudem die Besonderheit, dass eine Marien-Kirche mit einem Marienberg in Verbindung steht. Das hat die Bewandtnis, dass man Gnadenbildnisse gern auf Bergen (näher zu Gott) unterbrachte. Oft ging dabei eine sogenannte Marienerscheinung voraus, die zur Ausbildung eines Wallfahrtsortes führte.

Im Fall des Marienberges zu Strehlen ist dies sogar in der älteren Literatur zumindest für das 15. Jahrhundert dokumentiert:

 

 

 

Man darf daher sicher sein, dass die Marienkirche nebenan ihren Namen davon erhielt, was zugleich ein Hinweis auf die Jahrhunderte frühere Wallfahrt zum Marienberg ist, denn St. Marien wird eine Bauzeit im 12. Jahrhundert nachgesagt, und sie gilt damit als ältester Kirchenbau Strehlens und der Region:



Das eigentliche Wunderbild dürfte der Marienstein auf dem Marienberg sein:

 




 

Mit einiger Phantasie erkennt man nämlich in diesem Stein das Gesicht mit Augen und Nase, umgeben mit einer Kapuze der Tunika: Die heilige Maria im Naturgewand, wie der Vergleich mit einem einschlägigen Heiligenbild nahe legt! So sind wohl die Wallfahrten in alten katholischen Zeiten gerade zu diesem „Gnadenbilde Marias geschehen“.

 

Man möchte meinen, dass 200 Jahre nach Martin Luther - zur Gründungszeit von Hussinetz - die reformierten Schlesier den granitenen Marienstein allenfalls nur noch als Naturwunder wahrnahmen. Doch weit gefehlt, selbst die Nachfahren der hussitisch geprägten Hussinetz-Gründer noch einmal 200 Jahre später begegneten dem Marienstein mit einem gewissen mystischen Respekt. Der Autor erinnert sich noch gut an die Legende, die man sich nach dem 2. Weltkrieg erzählte, wonach Maria auf den Stein getreten sei. Tatsächlich findet sich im steinernen „Marien-Antlitz“ eine natürliche Vertiefung, die an einen kleinen Schuhabdruck erinnert! Diese Interpretation der Evangelisch-Reformierten liegt freilich weitab von der mittelalterlichen, die damals abertausende von Gläubigen in seinen Bann zog.

 

Der Autor stellte allerdings im Jahr 2015 überrascht fest, dass selbst die letzte Erinnerung an diese dramatischen Ereignisse offenbar auch ein Vertreibungsopfer geworden ist, denn die überwiegend katholischen polnischen Bürger von Strzelin und Gesiniec haben nicht einmal eine Ahnung davon, dass es auf dem Marienberg einen Marienstein gibt.